Komponisten und ihr Gedächtnis - Spuren in Biographien und Werkstattzeugnissen
Author(s) / Creator(s)
Konrad, Ulrich
Abstract / Description
Dass musikalische Tätigkeit gleich welcher Art auf angeeignetem Wissen basiert, das sich permanent verändert und dessen zentrale Gehalte gleichwohl im Gedächtnis gespeichert werden, gehört zu den allgemeinen Einsichten nicht nur des musikpsychologischen, sondern auch des musikhistorischen Forschers. Namentlich Studien zur „Werkstatt" von Komponisten haben Erkenntnisse darüber gebracht, wie schöpferisch arbeitende Musiker Schaffensstrategien entwickeln - Verfahren, die Komplexität größerer musikalischer Verläufe auf überschaubare Elemente zu reduzieren, diese schriftlich zu fixieren und somit eine Interaktion zwischen Niederschrift und Gedächtnis zu eröffnen, spielen dabei eine wichtige Rolle. Skizzen beispielsweise können als kontinuierliche Protokolle von Denkvorgängen fungieren, um den mentalen Speicher zu entlasten, oder aber als Markierungspunkte für die Erinnerung, wenn das knappe schriftliche Notat beim Wiederlesen einen größeren gedachten Kontext zu aktivieren vermag. In autographen Partituren von Instrumentalkonzerten können die Solopartien lückenhaft aufgeschrieben sein oder zeitweilig ganz fehlen, wenn der Komponist selbst der Spieler ist und seinen Part entweder memoriert oder bei einer Aufführung jeweils neu improvisiert. Hier scheint ein „haptisches Gedächtnis" mit am Werke zu sein, das freilich auch in umgekehrter Richtung tätig werden kann: Das Spielen von Musik aus der Erinnerung dient Komponisten gelegentlich dazu, den Weg zu neuen Einfällen zu bahnen. Ganz anders laufen offensichtlich die Bahnen des Gedächtnisses, wenn über bestimmte Zeiträume hinweg Komponisten bestimmte engräumige „Musikvokabeln", also melodische, rhythmische oder harmonische Wendungen, offenbar unbewusst zu unterlaufen scheinen. Auf solche und andere Fälle vermag quellenorientierte und analytische Forschung hinzuweisen und damit methodisch anders ausgerichteten psychologischen Fragestellungen Material zu liefern - nicht zuletzt für einen fruchtbaren Aus tausch über die Teilgebiete der Disziplin hinweg.
lt is part of the universal insights of music-psychological as well as music historical scientists that every musical activity is based on acquired knowledge that permanently changes. But nevertheless the central contents of it are stored in memory. Studies on composers' ,,workshops" in particular have provided an insight into how musicians involved in creative work develop strategies to aid production. An important role is played in this by procedures which reduce the complexity of larger musical structures to manageable elements, enable their retention in written form and thus initiate an interaction between notation and memory. Sketches for example may act as continuous records of mental processes, in order to release the mental memory, or they may act as markers for remembrance, if the short reread writing activates a greater commemorated context. In autographical scores of instrumental concerts the solo may be written down incompletely or occasionally be completely absent, if the composer himself is the acting musician and he has either memorized his part or newly improvises it at each performance. In this case a „haptical memory" seems to be of concern that certainly may take action in reverse direction: Playing music from memory sometimes helps composers to pave the way for new ideas. The memory apparently works different if over specific periods composers seem to un consciously circumvent certain compact „musical vocabulary", i. e., melodical, rhythmical or harmonical phrases. Source based and analytical research may point to that kind of cases and with this it may provide material for methodological different oriented psychological questions not least for a re productively exchange across the sections of the discipline.
Keyword(s)
Musiker Gedächtnis Strategien Musik Musicians Memory Strategies MusicPersistent Identifier
Date of first publication
2009
Is part of
Auhagen, W., Bullerjahn, C. & Höge, H. (Hrsg.). (2009). Musikpsychologie. Jahrbuch der Deutschen Gesellschaft für Musikpsychologie. Band 20: Musikalisches Gedächtnis und musikalisches Lernen. Göttingen, Deutschland: Hogrefe.
Publisher
Hogrefe
Citation
Konrad, U. (2009). Komponisten und ihr Gedächtnis - Spuren in Biographien und Werkstattzeugnissen. In W Auhagen, C Bullerjahn & H Höge (Hrsg.), Musikpsychologie. Jahrbuch der Deutschen Gesellschaft für Musikpsychologie. Band 20: Musikalisches Gedächtnis und musikalisches Lernen. Göttingen, Deutschland: Hogrefe.
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Author(s) / Creator(s)Konrad, Ulrich
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PsychArchives acquisition timestamp2020-05-20T15:31:53Z
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Made available on2020-05-20T15:31:53Z
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Date of first publication2009
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Abstract / DescriptionDass musikalische Tätigkeit gleich welcher Art auf angeeignetem Wissen basiert, das sich permanent verändert und dessen zentrale Gehalte gleichwohl im Gedächtnis gespeichert werden, gehört zu den allgemeinen Einsichten nicht nur des musikpsychologischen, sondern auch des musikhistorischen Forschers. Namentlich Studien zur „Werkstatt" von Komponisten haben Erkenntnisse darüber gebracht, wie schöpferisch arbeitende Musiker Schaffensstrategien entwickeln - Verfahren, die Komplexität größerer musikalischer Verläufe auf überschaubare Elemente zu reduzieren, diese schriftlich zu fixieren und somit eine Interaktion zwischen Niederschrift und Gedächtnis zu eröffnen, spielen dabei eine wichtige Rolle. Skizzen beispielsweise können als kontinuierliche Protokolle von Denkvorgängen fungieren, um den mentalen Speicher zu entlasten, oder aber als Markierungspunkte für die Erinnerung, wenn das knappe schriftliche Notat beim Wiederlesen einen größeren gedachten Kontext zu aktivieren vermag. In autographen Partituren von Instrumentalkonzerten können die Solopartien lückenhaft aufgeschrieben sein oder zeitweilig ganz fehlen, wenn der Komponist selbst der Spieler ist und seinen Part entweder memoriert oder bei einer Aufführung jeweils neu improvisiert. Hier scheint ein „haptisches Gedächtnis" mit am Werke zu sein, das freilich auch in umgekehrter Richtung tätig werden kann: Das Spielen von Musik aus der Erinnerung dient Komponisten gelegentlich dazu, den Weg zu neuen Einfällen zu bahnen. Ganz anders laufen offensichtlich die Bahnen des Gedächtnisses, wenn über bestimmte Zeiträume hinweg Komponisten bestimmte engräumige „Musikvokabeln", also melodische, rhythmische oder harmonische Wendungen, offenbar unbewusst zu unterlaufen scheinen. Auf solche und andere Fälle vermag quellenorientierte und analytische Forschung hinzuweisen und damit methodisch anders ausgerichteten psychologischen Fragestellungen Material zu liefern - nicht zuletzt für einen fruchtbaren Aus tausch über die Teilgebiete der Disziplin hinweg.de_DE
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Abstract / Descriptionlt is part of the universal insights of music-psychological as well as music historical scientists that every musical activity is based on acquired knowledge that permanently changes. But nevertheless the central contents of it are stored in memory. Studies on composers' ,,workshops" in particular have provided an insight into how musicians involved in creative work develop strategies to aid production. An important role is played in this by procedures which reduce the complexity of larger musical structures to manageable elements, enable their retention in written form and thus initiate an interaction between notation and memory. Sketches for example may act as continuous records of mental processes, in order to release the mental memory, or they may act as markers for remembrance, if the short reread writing activates a greater commemorated context. In autographical scores of instrumental concerts the solo may be written down incompletely or occasionally be completely absent, if the composer himself is the acting musician and he has either memorized his part or newly improvises it at each performance. In this case a „haptical memory" seems to be of concern that certainly may take action in reverse direction: Playing music from memory sometimes helps composers to pave the way for new ideas. The memory apparently works different if over specific periods composers seem to un consciously circumvent certain compact „musical vocabulary", i. e., melodical, rhythmical or harmonical phrases. Source based and analytical research may point to that kind of cases and with this it may provide material for methodological different oriented psychological questions not least for a re productively exchange across the sections of the discipline.en_US
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Publication statuspublishedVersion
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Review statuspeerReviewed
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External description on another websitehttps://www.pubpsych.de/get.php?id=0231182
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CitationKonrad, U. (2009). Komponisten und ihr Gedächtnis - Spuren in Biographien und Werkstattzeugnissen. In W Auhagen, C Bullerjahn & H Höge (Hrsg.), Musikpsychologie. Jahrbuch der Deutschen Gesellschaft für Musikpsychologie. Band 20: Musikalisches Gedächtnis und musikalisches Lernen. Göttingen, Deutschland: Hogrefe.
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ISBN978-3-8017-2242-5
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Persistent Identifierhttps://hdl.handle.net/20.500.12034/2572
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Persistent Identifierhttps://doi.org/10.23668/psycharchives.2952
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Language of contentdeu
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PublisherHogrefe
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Is part ofAuhagen, W., Bullerjahn, C. & Höge, H. (Hrsg.). (2009). Musikpsychologie. Jahrbuch der Deutschen Gesellschaft für Musikpsychologie. Band 20: Musikalisches Gedächtnis und musikalisches Lernen. Göttingen, Deutschland: Hogrefe.
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Keyword(s)Musikerde_DE
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Keyword(s)Gedächtnisde_DE
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Keyword(s)Musikde_DE
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Keyword(s)Musiciansen_US
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Keyword(s)Memoryen_US
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Keyword(s)Musicen_US
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Dewey Decimal Classification number(s)150
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TitleKomponisten und ihr Gedächtnis - Spuren in Biographien und Werkstattzeugnissende_DE
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TitleComposers and their memory - traces in biographies and workshop reports [Translated with www.DeepL.com]en_US
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DRO typebookPart
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