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Auditive Einflüsse bei der Tempopräzision im Klavierspiel - Das Phänomen der voraus­schauenden motorischen Korrektur (Anticipatory Motor Adjustment)

Author(s) / Creator(s)

van Hooven, Andreas
Auhagen, Wolfgang

Abstract / Description

Ab den 1970er Jahren setzten sich Modelle innerer Uhren in Verbindung mit motorischen Programmen in der Forschung zur musikalischen Psychomotorik gegen die Vorstellung durch, Laien und Musiker bedienten sich maßgeblich einer auditiven Rückkopplungsschleife, um ein konstantes Tempo zu klopfen oder am Instrument zu spielen. Jüngere neurologische Studien postulieren, das (musikalische) Zeitgefühl basiere auf verschieden langen Ketten neuronaler Entladungen (neuronale Netze) ohne zentrale innere Uhr. Von außen - etwa durch auditive Rückkopplung - seien sie kurzfristig variierbar. Wäre eine innere Uhr beim solistischen Instrumentalspiel unabhängig von auditiven Einflüssen (Open-Loop-Modell), dürfte unerwartet verzögertes auditives Feedback (Delayed Auditory Feedback, DAF) die Solisten nicht signifikant im Tempo beeinträchtigen. Verschieben sie jedoch ihren Grundschlag, wäre das ein Zeichen für eine auditiv variierbare innere Uhr oder kurzfristig variierbare Neuronale Netze. Reagieren Klavierspieler abhängig verschiedener Größen des DAF, wäre das ein weiteres Argument gegen Open-Loop-Modelle. Sind überdies belastbare Unterschiede nach Händigkeit und nach Platzierung der DAFs in Ober- und Unterstimme zu beobachten, spräche das gegen die Singularität einer inneren Uhr. Das vorliegende Experiment erbringt einige dieser Hinweise durch einen Versuchsaufbau und statistische Methoden, die Probanden nicht mit einer Laborsituation konfrontieren. Etwa das Paradigma fortgesetzter Synchronisation durch Metronomvorgabe - um interindividuell vergleichbare Messzeitreihen zu erhalten - spielte in diesem Versuch folglich keine Rolle. Zudem machten neue statistische Methoden (Periodische Mittelwertsabweichungen PMA in Verbindung mit Blockvarianzanalysen BANOVA) Zeitreihen der Probanden in dieser Studie miteinander ohne Tempovorgabe vergleichbar. Das prägnanteste Ergebnis: Probanden reagieren signifikant auf plötzlich ausbleibendes AF, nachdem sie sich an die (für sie) zufällig auftretenden DAFs bereits gewöhnt hatten (Lerneffekt). Erstaunlich dabei: Dies geschieht in vorausschauender motorischer Korrektur (Anticipatory Motor Adj ustment AMA). Dies zwingt zu der Annahme, dass die seit den 1970er Jahren kontravalente Debatte „innere Uhr oder Rückkopplungsschleife" eine Sackgasse ist, es sei denn, dem Gehör würde das Mitwirken an der zukunftsgewandten (a priori) zeitlichen Handlungsplanung stärker zugesprochen. Von Interesse für künftige Designs könnte zudem sein, dass Probanden mit Vorwissen über zu erwartendes DAF nach seinem Auftreten hoch signifikant geringere Temposchwankungen zeigten als Uninformierte. Überdies beeinträchtigt DAF den Positionssinn für die andere motorische Hemisphäre: Probanden spielten Tonhöhenfehler in signifikantem Maße nur nach DAF und dies ebenso signifikant nur mit jener Hand, die zuvor nicht die klangverzögerte Taste angeschlagen hatte.
Since the beginning of the 1970s, internal clock models combined with motor programs prevailed in psychomotor music research over the notion that musicians and non-musicians were making use of an auditory feedback loop in order to maintain a constant tempo while playing an instrument or tapping a beat. More recent neurological research postulates that the (musical) sense of short-time intervals is based on varying series of neuronal discharges (neural networks) without a central internal clock. These can vary in the short-term on the basis of new stimuli, similar to auditory feedback. If an internal clock would be independent from auditory feedback (Open-Loop-Model) while playing an instrument in single performance (piano), unexpected delayed auditory feedback (DAF) then should not affect the soloists tempo performance. If otherwise pianists in this case tend to delay the former inner beat of motor performance, it would be an indication for the adjustability of an internal clock or varying neural networks. Would pianists react depending on the amount of DAF, it provides another argument against open-loop-models. Moreover, if handedness is affecting the motor performance depending on the placement of DAF in the piano-soprano or otherwise in the piano-bass, much is to be said against a singular internal clock. This experiment provides some arguments in this regard. The settings were designed to have a non-lab-situation for the subjects. For example: Pianists were prevented from continuation-synchronization paradigms, caused by metronome beats which are often presented at the start of tapping-experiments. In fact, new statistical methods in this study made time series comparable between subjects without a preset for a mean tempo. The most outstanding findings of this study were: Pianists motor performance was seriously affected by unpredictable muted auditory feedback at a point of the experiment, when subjects already had adapted (learning effect) to delayed auditory feedback (DAF). Surprisingly, this happens by anticipatory motor adjustment (AMA). From this it follows, that the debate starting in the 70s about mutually contradictory models of an auditory feedback loop on the one hand and internal clocks on the other hand is leading to a dead end. It is rather clear, that our sense of hearing in the presence takes part in the (a priori) planning of the future musical motor performance. It maybe of interest for future studies, that pianists with prior knowledge on random DAF showed significantly less tempo deviations after auditory disturbances. Furthermore, DAF affects the proprioception of following motor actions of the opposite hemisphere: Only when DAF occurred, participants strake wrong keys in a significant way. And what is more, they significantly made their pitchmistakes with that hand which did not strike the manipulated key before.

Keyword(s)

Musiker Tempo Sensumotorische Prozesse Adaptation Auditive Rückmeldung Biologische Neuronale Netze Erwachsenenalter Deutschland Musicians Tempo Perceptual Motor Processes Adaptation Auditory Feedback Biological Neural Networks Adulthood Germany Musiker Tempo Sensumotorische Prozesse Adaptation Auditive Rückmeldung Biologische Neuronale Netze Erwachsenenalter Deutschland Musicians Tempo Perceptual Motor Processes Adaptation Auditory Feedback Biological Neural Networks Adulthood Germany

Persistent Identifier

Date of first publication

2015

Is part of

Auhagen, W., Bullerjahn, C. & von Georgi, R. (Hrsg.). (2015). Musikpsychologie. Jahrbuch der Deutschen Gesellschaft für Musikpsychologie. Band 25: Musikpsychologie - Anwendungsorientierte Forschung. Göttingen, Deutschland: Hogrefe.

Publisher

Hogrefe

Citation

van Hooven, A. & Auhagen, W. (2015). Auditive Einflüsse bei der Tempopräzision im Klavierspiel - Das Phänomen der voraus­schauenden motorischen Korrektur (Anticipatory Motor Adjustment). In W Auhagen, C Bullerjahn & R von Georgi (Hrsg.), Musikpsychologie. Jahrbuch der Deutschen Gesellschaft für Musikpsychologie. Band 25: Musikpsychologie - Anwendungsorientierte Forschung. Göttingen, Deutschland: Hogrefe.
  • Author(s) / Creator(s)
    van Hooven, Andreas
  • Author(s) / Creator(s)
    Auhagen, Wolfgang
  • PsychArchives acquisition timestamp
    2020-04-08T13:29:57Z
  • Made available on
    2020-04-08T13:29:57Z
  • Date of first publication
    2015
  • Abstract / Description
    Ab den 1970er Jahren setzten sich Modelle innerer Uhren in Verbindung mit motorischen Programmen in der Forschung zur musikalischen Psychomotorik gegen die Vorstellung durch, Laien und Musiker bedienten sich maßgeblich einer auditiven Rückkopplungsschleife, um ein konstantes Tempo zu klopfen oder am Instrument zu spielen. Jüngere neurologische Studien postulieren, das (musikalische) Zeitgefühl basiere auf verschieden langen Ketten neuronaler Entladungen (neuronale Netze) ohne zentrale innere Uhr. Von außen - etwa durch auditive Rückkopplung - seien sie kurzfristig variierbar. Wäre eine innere Uhr beim solistischen Instrumentalspiel unabhängig von auditiven Einflüssen (Open-Loop-Modell), dürfte unerwartet verzögertes auditives Feedback (Delayed Auditory Feedback, DAF) die Solisten nicht signifikant im Tempo beeinträchtigen. Verschieben sie jedoch ihren Grundschlag, wäre das ein Zeichen für eine auditiv variierbare innere Uhr oder kurzfristig variierbare Neuronale Netze. Reagieren Klavierspieler abhängig verschiedener Größen des DAF, wäre das ein weiteres Argument gegen Open-Loop-Modelle. Sind überdies belastbare Unterschiede nach Händigkeit und nach Platzierung der DAFs in Ober- und Unterstimme zu beobachten, spräche das gegen die Singularität einer inneren Uhr. Das vorliegende Experiment erbringt einige dieser Hinweise durch einen Versuchsaufbau und statistische Methoden, die Probanden nicht mit einer Laborsituation konfrontieren. Etwa das Paradigma fortgesetzter Synchronisation durch Metronomvorgabe - um interindividuell vergleichbare Messzeitreihen zu erhalten - spielte in diesem Versuch folglich keine Rolle. Zudem machten neue statistische Methoden (Periodische Mittelwertsabweichungen PMA in Verbindung mit Blockvarianzanalysen BANOVA) Zeitreihen der Probanden in dieser Studie miteinander ohne Tempovorgabe vergleichbar. Das prägnanteste Ergebnis: Probanden reagieren signifikant auf plötzlich ausbleibendes AF, nachdem sie sich an die (für sie) zufällig auftretenden DAFs bereits gewöhnt hatten (Lerneffekt). Erstaunlich dabei: Dies geschieht in vorausschauender motorischer Korrektur (Anticipatory Motor Adj ustment AMA). Dies zwingt zu der Annahme, dass die seit den 1970er Jahren kontravalente Debatte „innere Uhr oder Rückkopplungsschleife" eine Sackgasse ist, es sei denn, dem Gehör würde das Mitwirken an der zukunftsgewandten (a priori) zeitlichen Handlungsplanung stärker zugesprochen. Von Interesse für künftige Designs könnte zudem sein, dass Probanden mit Vorwissen über zu erwartendes DAF nach seinem Auftreten hoch signifikant geringere Temposchwankungen zeigten als Uninformierte. Überdies beeinträchtigt DAF den Positionssinn für die andere motorische Hemisphäre: Probanden spielten Tonhöhenfehler in signifikantem Maße nur nach DAF und dies ebenso signifikant nur mit jener Hand, die zuvor nicht die klangverzögerte Taste angeschlagen hatte.
    de_DE
  • Abstract / Description
    Since the beginning of the 1970s, internal clock models combined with motor programs prevailed in psychomotor music research over the notion that musicians and non-musicians were making use of an auditory feedback loop in order to maintain a constant tempo while playing an instrument or tapping a beat. More recent neurological research postulates that the (musical) sense of short-time intervals is based on varying series of neuronal discharges (neural networks) without a central internal clock. These can vary in the short-term on the basis of new stimuli, similar to auditory feedback. If an internal clock would be independent from auditory feedback (Open-Loop-Model) while playing an instrument in single performance (piano), unexpected delayed auditory feedback (DAF) then should not affect the soloists tempo performance. If otherwise pianists in this case tend to delay the former inner beat of motor performance, it would be an indication for the adjustability of an internal clock or varying neural networks. Would pianists react depending on the amount of DAF, it provides another argument against open-loop-models. Moreover, if handedness is affecting the motor performance depending on the placement of DAF in the piano-soprano or otherwise in the piano-bass, much is to be said against a singular internal clock. This experiment provides some arguments in this regard. The settings were designed to have a non-lab-situation for the subjects. For example: Pianists were prevented from continuation-synchronization paradigms, caused by metronome beats which are often presented at the start of tapping-experiments. In fact, new statistical methods in this study made time series comparable between subjects without a preset for a mean tempo. The most outstanding findings of this study were: Pianists motor performance was seriously affected by unpredictable muted auditory feedback at a point of the experiment, when subjects already had adapted (learning effect) to delayed auditory feedback (DAF). Surprisingly, this happens by anticipatory motor adjustment (AMA). From this it follows, that the debate starting in the 70s about mutually contradictory models of an auditory feedback loop on the one hand and internal clocks on the other hand is leading to a dead end. It is rather clear, that our sense of hearing in the presence takes part in the (a priori) planning of the future musical motor performance. It maybe of interest for future studies, that pianists with prior knowledge on random DAF showed significantly less tempo deviations after auditory disturbances. Furthermore, DAF affects the proprioception of following motor actions of the opposite hemisphere: Only when DAF occurred, participants strake wrong keys in a significant way. And what is more, they significantly made their pitchmistakes with that hand which did not strike the manipulated key before.
    en_US
  • Publication status
    publishedVersion
  • Review status
    peerReviewed
  • External description on another website
    https://www.pubpsych.de/get.php?id=0309531
  • Citation
    van Hooven, A. & Auhagen, W. (2015). Auditive Einflüsse bei der Tempopräzision im Klavierspiel - Das Phänomen der voraus­schauenden motorischen Korrektur (Anticipatory Motor Adjustment). In W Auhagen, C Bullerjahn & R von Georgi (Hrsg.), Musikpsychologie. Jahrbuch der Deutschen Gesellschaft für Musikpsychologie. Band 25: Musikpsychologie - Anwendungsorientierte Forschung. Göttingen, Deutschland: Hogrefe.
  • ISBN
    978-3-8017-2734-5
  • Persistent Identifier
    https://hdl.handle.net/20.500.12034/2450
  • Persistent Identifier
    https://doi.org/10.23668/psycharchives.2835
  • Language of content
    deu
  • Publisher
    Hogrefe
  • Is part of
    Auhagen, W., Bullerjahn, C. & von Georgi, R. (Hrsg.). (2015). Musikpsychologie. Jahrbuch der Deutschen Gesellschaft für Musikpsychologie. Band 25: Musikpsychologie - Anwendungsorientierte Forschung. Göttingen, Deutschland: Hogrefe.
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    Germany
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  • Dewey Decimal Classification number(s)
    150
  • Title
    Auditive Einflüsse bei der Tempopräzision im Klavierspiel - Das Phänomen der voraus­schauenden motorischen Korrektur (Anticipatory Motor Adjustment)
    de_DE
  • Title
    Auditory influences on tempo precision in piano playing - The phenomenon of Anticipatory Motor Adjustment [Translated with www.DeepL.com]
    en_US
  • DRO type
    bookPart
  • Visible tag(s)
    Version of Record