Interdisziplinarität und "Einheit der Psychologie" - ein Widerspruch?
Author(s) / Creator(s)
Allesch, Christian G.
Abstract / Description
Die authentisch explizierten Konzepte von Einheit und Interdisziplinarität werden nach einem aus drei Zeitebenen bestehenden diachronischen Untersuchungsplan auf Stichproben der Psychologie des 19. Jahrhunderts angewendet. Anhand des Lehrbuchs der Erfahrungsseelenlehre von L. H. Jakob aus dem Jahre 1795 und der "Psychologie" des F. A. Carus von 1808 lässt sich nachweisen, dass um 1800 Einheit der Psychologie in psychologischen Standardwerken nicht durchgängig behandelt wird, während sich differenziert ausgearbeitete interdisziplinäre Beziehungen zur Philosophie und einigen ihrer Disziplinen sowie zu den Naturwissenschaften finden. W. Wundt zieht um 1860 Einheit explizit als ein Zeichen wahrer Wissenschaft in Betracht und elaboriert zudem eine Reihe interdisziplinärer Erfordernisse seiner programmatischen neuen experimentellen Psychologie. Seine Physiologische Psychologie der siebziger Jahre baut zentral auf interdisziplinäre Verbindungen ihres Gegenstandes sowie ihrer Methodik. Gleichwohl bleibt eine ihrer Hauptaufgaben, eine fundamentale Hilfsfunktion transdisziplinären Charakters für die Geisteswissenschaften zu leisten. Die Realisierung des ebenfalls erörterten Einheitskonzepts hängt allerding letztlich vom Fortschritt der Forschung ab. An der Schwelle des 20. Jahrhunderts scheinen intradisziplinäre Beziehungen im Vordergrund zu stehen, die vordem als interdisziplinäre eruiert worden waren, wobei das Einheitskonzept keine Ausweitung erfährt. Für H. Ebbinghaus ist Einheit der Psychologie gebunden an und strikt begrenzt von ihrem primären Gegenstand. Die Verallgemeinerung von Befunden über die drei hier gezogenen Stichproben offenbart die transtemporale Anwendung von leicht variierten Einheitskonzepten sowie das Vorhandensein konstanterer interdisziplinärer Austauschbeziehungen, insbesondere mit den Naturwissenschaften. Es lässt sich zeigen, dass eine interdisziplinäre Wende der Psychologie zu den Naturwissenschaften selbst dann stattfand, als diese noch von Experimentalisierung und Mathematisierung relativ weit entfernt waren. Auf diesem Hintergrund wird die Hypothese formuliert, dass bestimmte Vorzüge des Untersuchungsgegenstandes der Physik im Vergleich zu dem der Psychologie für diese zeitinvariante, querdisziplinäre Orientierung der Psychologie ausschlaggebend sein könnten.
Persistent Identifier
Date of first publication
2001
Journal title
Psychologie und Geschichte
Volume
9
Issue
3/4
Publisher
Verlag litblockín. Verlag für literarische Produkte
Publication status
publishedVersion
Review status
peerReviewed
Citation
-
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Author(s) / Creator(s)Allesch, Christian G.
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PsychArchives acquisition timestamp2017-06-14T09:13:29Z
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Made available on2017-06-14T09:13:29Z
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Date of first publication2001
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Abstract / DescriptionDie authentisch explizierten Konzepte von Einheit und Interdisziplinarität werden nach einem aus drei Zeitebenen bestehenden diachronischen Untersuchungsplan auf Stichproben der Psychologie des 19. Jahrhunderts angewendet. Anhand des Lehrbuchs der Erfahrungsseelenlehre von L. H. Jakob aus dem Jahre 1795 und der "Psychologie" des F. A. Carus von 1808 lässt sich nachweisen, dass um 1800 Einheit der Psychologie in psychologischen Standardwerken nicht durchgängig behandelt wird, während sich differenziert ausgearbeitete interdisziplinäre Beziehungen zur Philosophie und einigen ihrer Disziplinen sowie zu den Naturwissenschaften finden. W. Wundt zieht um 1860 Einheit explizit als ein Zeichen wahrer Wissenschaft in Betracht und elaboriert zudem eine Reihe interdisziplinärer Erfordernisse seiner programmatischen neuen experimentellen Psychologie. Seine Physiologische Psychologie der siebziger Jahre baut zentral auf interdisziplinäre Verbindungen ihres Gegenstandes sowie ihrer Methodik. Gleichwohl bleibt eine ihrer Hauptaufgaben, eine fundamentale Hilfsfunktion transdisziplinären Charakters für die Geisteswissenschaften zu leisten. Die Realisierung des ebenfalls erörterten Einheitskonzepts hängt allerding letztlich vom Fortschritt der Forschung ab. An der Schwelle des 20. Jahrhunderts scheinen intradisziplinäre Beziehungen im Vordergrund zu stehen, die vordem als interdisziplinäre eruiert worden waren, wobei das Einheitskonzept keine Ausweitung erfährt. Für H. Ebbinghaus ist Einheit der Psychologie gebunden an und strikt begrenzt von ihrem primären Gegenstand. Die Verallgemeinerung von Befunden über die drei hier gezogenen Stichproben offenbart die transtemporale Anwendung von leicht variierten Einheitskonzepten sowie das Vorhandensein konstanterer interdisziplinärer Austauschbeziehungen, insbesondere mit den Naturwissenschaften. Es lässt sich zeigen, dass eine interdisziplinäre Wende der Psychologie zu den Naturwissenschaften selbst dann stattfand, als diese noch von Experimentalisierung und Mathematisierung relativ weit entfernt waren. Auf diesem Hintergrund wird die Hypothese formuliert, dass bestimmte Vorzüge des Untersuchungsgegenstandes der Physik im Vergleich zu dem der Psychologie für diese zeitinvariante, querdisziplinäre Orientierung der Psychologie ausschlaggebend sein könnten.de_DE
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Publication statuspublishedVersion
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Review statuspeerReviewed
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ISSN0935-0179
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Persistent Identifierhttps://hdl.handle.net/20.500.12034/205
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Persistent Identifierhttps://doi.org/10.23668/psycharchives.632
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Language of contentdeu
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PublisherVerlag litblockín. Verlag für literarische Produktede_DE
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Is part of seriesPsychologie und Geschichte
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TitleInterdisziplinarität und "Einheit der Psychologie" - ein Widerspruch?
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DRO typearticle
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DFK number from PSYNDEX0152040
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Issue3/4
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Journal titlePsychologie und Geschichte
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Volume9
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